Tag 21 – Pumalin


Für heute sind wir etwas im Zwiespalt über unsere Pläne, denn um die Reise auf der Ruta 7 fortzusetzen, müssten wir eine Fähre nehmen. Die Fähre setzt sich zusammen aus zwei Fährstrecken mit 10km Straße dazwischen. Sie fährt von Caleta Gonzales nach Hornopiren nur zwei mal am Tag, einmal um 13:00 und einmal um 20:45. Die Fähre um 13:00 ist leider Tage im Voraus ausgebucht für Autos. Nachdem wir die Fährfahrt aber bei Licht schon deutlich mehr genießen würden, läutet der Wecker mal wieder früh um 6:15. Kurz nach 8:00 verlassen wir die nette Unterkunft in Futaleufu und nach der holprigen, staubigen Busfahrt beim gestrigen Rafting war die Autofahrt auf der Schotterpiste mit unserem komfortablen SUV fast eine Wohltat. Wieder zurück auf der Carretera Austral (Ruta 7) bogen wir nun nach rechts in Richtung Norden ab. Die Zeit bis zur Stadt Chaiten vergingen recht zügig, dort erkennen wir immer noch die Spuren von einer Überschwemmung, die einen großen Teil der Stadt weggespült hatte. Wir durchqueren die Stadt ohne Pause und gelangen in Kürze zu einer potentiellen Wanderung, die ich herausgesucht hatte. Auf den Info-Schildern am Ausgangspunkt werden wir daran erinnert, dass die Überschwemmungen in Chaiten nicht einfach Folge eines Starkregen waren, sondern der Ausbruch des gleichnamigen Vulkans eine Gletscherschmelze ausgelöst hatte, die dann die Stadt überschwemmte. Als wir einen Blick in den grünen Farn-durchwachsenen Wald sowie auf den rauchenden Vulkankegel werfen, sind die Pläne für die frühe Fähre schnell verworfen und nach einem leckeren Avocado- und Käsebrot-Snack werden die Rucksäcke geschultert und wir starten in den tollen Wald. Anfangs fasziniert uns das Urwald-Feeling – wie aus alten vermorschten Stämmen wieder Leben entsteht.

Schon bald geht es aber gut in die Höhe. Die nur etwas über 2km lange Wanderung hat doch 600 Höhenmeter. Viel davon ist durch Holzstufen befestigt, doch umso weiter man nach oben gelangt, umso öfter sind die Stiegen und Stufen durch den Zahn der Zeit etwas mitgenommen. Auch die Vegetation wird immer dürftiger. Immer wieder sieht man alte, durch den Vulkanausbruch verbrannte Baumstämme wie Türme in die Höhe ragen. Ein absteigender Local empfiehlt uns im Vorbeigehen blaue Beeren, von denen der Strauch neben uns zum Bersten voll ist. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen (nachdem wir gesehen haben, dass er sie ebenfalls isst). Sie schmecken überraschend gut und erfrischend, haben innen eine Konsistenz, die an Äpfel erinnert. Wir hauen ordentlich rein, so gehen sich die nächsten Höhenmeter gleich leichter. Obwohl uns die Höhe der Stufen und die schwülen, sonnigen Temperaturen ganz schön zum Schwitzen bringen. Schließlich überschreiten wir die wohl alte, bereits wieder grün bewachsene Caldera und können auf den frischen Kegel aus den Jahren 2008/2009 blicken, der völlig frei von Vegetation ist und aus dem es an einigen Stellen raucht. Auch wenn man keinen Schwefelgeruch oder Ähnliches riecht. Lukas lässt uns durch seinen Drohnenflug einen noch umfassenderen Blick auf die Vulkankegel gewinnen. 

Der Vulkankegel im Krater des Vulkankegels

Wir erholen uns kurz in den sonnigen Temperaturen und als wir den Abstieg beginnen, sehen wir an der Küste Wolken aufziehen. Der Abstieg geht trotz der hohen Stufen viel besser als befürchtet, da der Untergrund sehr griffig ist. Einige Stops gibt es aber, da wir am Weg hinab noch mehr Sträucher mit den erfrischenden Beeren entdecken. Gleichzeitig kommt der Regen aber langsam näher, wir spüren die ersten Tropfen. Da sind wir aber schon im dichteren Wald angekommen und nur wenig Regen kommt bis zu uns durch. So werden wir kaum nass, bis wir zum Auto kommen. Und wir sind alle wiederum beeindruckt von Klaus, dem offensichtlich wirklich kein Weg zu unwegsam ist. 

Weiter geht es auf der Schotterpiste Richtung Norden. Der Wald wird auch entlang der Straße immer grüner und dichter und wir können uns kaum sattsehen, nach jeder Kurve begeistert uns der neue Ausblick auf die Farne und Baumkronen. 

Dschungel bedroht Straße

Ein weiterer kurzer Rundweg zu 4000 Jahre alten Bäumen (Alerces) wäre am Plan gewesen, doch angesichts dessen, dass es immer noch regnet und wir nicht weit vom Fährhafen entfernt sind, aber immer noch weder Ticket, noch Empfang ein solches online zu buchen, haben, ziehen wir es vor, erstmals dorthin zu fahren. Es ist etwas vor 17:00. Wir sind allerdings etwas überrascht, als wir bei 100 verbleibenden Metern am Navi bis zum Ziel immer noch durch den Regenwald und nicht durch Häuserreihen fahren. Und wirklich – bis auf die Rampe für die Fähre gibt es noch ein paar kleine, zu leider Lodge gehörenden Cabañas (=Hütten) und ein Restaurant und das war’s. Das Internet funktioniert auch nicht. Eine Verkaufsstelle für die Fährtickets gibt es nicht. Der Kellner im Restaurant kann uns auch nur sagen, wo der Empfang fürs Handy besser ist, das Tickets können wir laut ihm nur online kaufen. WLAN kann er uns nicht bieten. Es nieselt immer noch gar nicht so wenig und wir suchen den Platz am Meer auf, wo der Empfang angeblich am besten ist. Doch zu unserem Schrecken müssen wir feststellen, dass die Fahrt für heute nicht mehr aufscheint im System. Wir fragen ein paar andere Leute in der Autoschlange, die sich bereits gebildet hat – die haben alle ein Ticket und sind teils verwundert, dass wir uns trauen ohne selbiges hier unser Glück zu versuchen. Doch es gibt schon auch die Info, dass, falls Platz ist, spontan noch Autos mitkönnen.

Jetzt sind wir eh schon da, wir beschließen, weiter auf unser Glück zu setzen, wenn wir uns auch nicht mehr so sicher sind. Ein AirBnb für Hornopiren, dem Ziel der Fährfahrt, buchen wir trotzdem schon, da wir wenn erst nach Mitternacht ankommen würden und vorbereitet sein wollen. Inzwischen besuchen wir das Restaurant auf einen Kaffee und Kuchen, was sich aber als kurzes Vergnügen entpuppt. Um 18:00 werden wir höflich nach draußen gebeten – da wird nur noch für Nächtigungsgäste serviert. Also raus und zurück ins Auto. Lukas entdeckt zufällig einen mit Holzsteigen ausgebauten Waldweg durch absolut magischeren Regenwald, der überraschend lang und gut ausgebaut ist. Wir sehen wieder zwei Spechte mit dem knallig roten Kopf die alten Stämme beklopfen. Gerne hätten wir hier auch noch mehr Zeit verbracht.

Umwerfend grün und nass

Doch die Sonne geht bald unter und wir erwarten die Fähre bald. Also müssen wir leider umdrehen und können den Weg nicht bis zu seinem Ende gehen. Zurück an der Anlegestelle müssen alle in die Fahrzeuge, die zuvor in einer Reihe geparkt wurden – vielleicht gibt es frei Plätze wird uns gesagt. Als wir an der Reihe sind, müssen wir sagen, dass wir keine Tickets haben. Auch die Frage nach Bargeld müssen wir verneinen. Wir halten schon die ganze Schlange auf, nach telefonischer Rückfrage ist unser Dollar-Bargeld-Angebot aber in Ordnung und wir dürfen tatsächlich auf die Fähre. Juhu!

Es ging mit 30 min Fahrt über den ersten Fjord. Trotz Dunkelheit konnten wir menschengroße, weiße Quallen im Wasser erkennen. Dann folgte eine kurze Autofahrt, bevor wir auf die zweite Fähre kamen. 180$ müssen wir dort begleichen. Die Fähren sind jeweils 4 spurig mit etwa 40m Ladeflächenlänge. Es wäre sogar noch platz für ein paar mehr Autos gewesen. Für Lisi zahlt es sich auch gleich noch mehr aus: einer der buntglänzenden Hirschkäfer, die wir bisher noch nicht gesehen haben, sie aber gerne sehen wollte, fliegt im Aufenthaltsraum direkt auf sie zu und wird daraufhin sofort eingefangen für ein anstehendes Foto-Shooting. Gegen Mitternacht gehen Lukas und ich ins Auto und schlafen auf den Vordersitzen. Klaus und Lisi dösen im Aufenthaltsraum. Gegen 02:00 kommen wir dann in Hornopiren an, wo wir noch etwas über 20 Minuten Fahrt zu unserer Unterkunft haben. Unsere Vermieter sind wieder einmal extrem freundlich und Hugo, der Mann von der südafrikastämmigen Lindy, erwartet uns bereits mit Stirnlampen am Parkplatz, hilft uns tragen und geleitet uns zu der einfach, aber lieblich gebauten Hütte. Wir sind todmüde und fallen nach einer Dusche, die wir dringend notwendig hatten, in extremst wohltuende Betten.

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3 Antworten zu “Tag 21 – Pumalin”

  1. War wieder ein ereignisreicher Tag für euch alle mit viel Glück im Gepäck …. unglaublich ist der Vulkan mit dem Krater im Krater ! wunderschöne Bilder….bleibt gesund und wohlauf und genießt weiterhin dieses Abenteuer…

  2. Die tollen Vulkan Fotos, die unglaublichen Farben im Urwald, die Spannung ums Fähr-Ticket, Lukas der gut aus dem Grün-Rot-Gemisch entkommen ist und eure immer wieder witzigen Kommentare – 🤣👍🫶

  3. Eure spannenden Reiseberichte im gemütlichen Wohnzimmer zu lesen ist eine Wonne … traumhafte Bilder und stets abenteuerliche Erlebnisse! Weiterhin alles Gute dabei!!

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