Die Nacht war leider der blanke Horror. Immer wieder wache ich schweißgebadet auf und öffne den Schlafsack – nur um anschließend von Mücken überall am Körper gestochen zu werden. Die Bisse verursachen direkt beim Einstich einen überraschend starken Schmerz, über den man auch nicht einfach hinwegschlafen kann. Gestern habe ich mich noch über ein paar andere Touristen mit Netzen um den Kopf lustig gemacht – heute träume ich davon. Nach gerade einmal 2 Stunden und 45 Minuten Schlaf und einem ernüchternden Sleepscore von 32 ist am Morgen zumindest die Freude groß: Eva geht es deutlich besser, und auch ihr Puls ist wieder in normalen Bereichen. In der Nacht hat es stark geregnet, und auch am Morgen nieselt es weiter.

Allzu früh kommen wir nicht aus dem Haus – wir hatten am Vorabend einfach zu wenig vorbereitet. Gegen 9 Uhr geht es schließlich los. Zuerst fahren wir wieder Richtung Osten und passieren dabei noch einmal den Geysir vom Vortag, den wir diesmal von der Straße aus sehen.
Bald endet die asphaltierte Straße und geht über in die F35 – eine der berüchtigten „F-Roads“, die nur mit Allradantrieb befahren werden dürfen. Rechts und links der Straße erstrecken sich ganze Felder violett blühender Lupinen. Die Straße ist zwar nicht in schlechtem Zustand, aber auch nicht gerade komfortabel: Teilweise müssen wir auf 30 km/h abbremsen, dann wieder geht es mit 80 km/h weiter – je nach Schlaglöchern.

Das Wetter wechselt ständig – meist ist es jedoch dicht bewölkt, regnerisch oder sogar neblig. Neben der Straße erheben sich schwarze Hügel und Bergrücken, teilweise von giftgrünem Moos überzogen. Die Farben wirken so surreal, als hätte jemand das Ganze mit Photoshop bearbeitet.

Insgesamt fahren wir etwa 70 Kilometer auf der Schotterstraße und brauchen dafür fast zwei Stunden. Unterwegs überqueren wir zweimal einen Fluss – einmal mit einem eindrucksvollen Wasserfall – und durchqueren weite, karge Landschaften. In der Ferne sehen wir gigantische Gletscherzungen, die in einen ebenso gewaltigen See kalben.


Unser Ziel ist Kerlingarfjöll, ein abgelegener Gebirgszug im isländischen Hochland. Kurz davor erreichen wir die „Highland Base“, bestehend aus einem kleinen Campingplatz, einigen Hütten und einem kleinen Hotel mit Café und angeschlossenem Thermalbad. Die Anlage liegt idyllisch an einem Fluss, eingebettet zwischen schwarzen Felsen und grünem Bewuchs.

Wir fahren weiter und erklimmen mit unserem Toyota die steile Schotterstraße – mit Steigungen von bis zu 20 %. Etwas weiter oben halten wir bei einem beeindruckenden Aussichtspunkt mit Blick auf einen Flussmäander.



Etwa zwei Kilometer später endet die Straße endgültig.

Da es kalt, windig und feucht ist, bleiben Klaus und Mama im Auto. Eva und ich machen uns auf den Weg und wandern zügig etwa 500 Meter bis zu einem Abstieg ins Tal. Hier entdecken wir das eigentliche Highlight von Kerlingarfjöll: Die Berge leuchten rötlich, es dampft aus verschiedenen Stellen, und erneut liegt der intensive Schwefelgeruch in der Luft. Wie durch ein Wunder reißt plötzlich der Nebel auf, und wir genießen für einen Moment eine freie Sicht über die beeindruckende Landschaft. Die lange Anfahrt hat sich – mit all den Momenten unterwegs und dieser Szenerie – absolut gelohnt.


Zurück beim Auto kehren wir um und fahren mit einem kurzen Jausenstopp hinab zur Highland Base. Dort gönnen wir uns für 7.800 ISK (ca. 35 €) pro Person einen Eintritt ins kleine, aber wunderschön gelegene Thermalbad. Das Wasser ist herrlich warm, die Umgebung spektakulär – ein Ort der Ruhe und Entspannung. Nach knapp zwei Stunden machen wir uns wieder auf den Rückweg.


Wir nehmen denselben Weg zurück – doch durch die geänderte Perspektive und die wechselnden Wetterverhältnisse zeigt sich Island auch jetzt wieder von einer völlig neuen Seite.


Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir endlich wieder Asphalt und legen noch einen letzten Stopp ein: beim berühmten Gullfoss, einem der bekanntesten Wasserfälle des Landes.
Im krassen Gegensatz zu unserer vorherigen, fast einsamen Fahrt auf der F-Road, erwartet uns hier ein großes Besucherzentrum mit Parkplätzen, Treppen und einem ausgebauten Boardwalk. Wir steigen hinunter in das Tal, wo eine gewaltige Wassermenge in zwei Stufen in die Tiefe stürzt und in der Schlucht verschwindet. Kaum sind wir wieder beim Auto, beginnt es erneut zu regnen.



Von hier ist es nicht mehr weit zurück zur Unterkunft. Dort gibt es eine heiße Hafersuppe mit Salat – ein perfekter Abschluss für diesen eindrucksvollen Tag.